(IP/RVR) „Ein Postfach ist jedenfalls dann eine ähnliche Vorrichtung im Sinne von § 180 S. 1 ZPO, wenn eine Wohnanschrift desjenigen, dem zugestellt werden soll, unbekannt oder nicht vorhanden ist.

Ein Zustellungsvertreter darf nicht bestellt werden, wenn dem Vollstreckungsgericht die Postfachadresse desjenigen, dem zugestellt werden soll, bekannt ist. Dennoch erfolgte Zustellungen an den Zustellungsvertreter sind unwirksam.“ So der Leitsatz des BGH-Beschlusses vom 14.06.2012.

Der Entscheidung lag folgender Sachverhalt zugrunde:

Im Laufe eines anhängigen Zwangsversteigerungsverfahrens musste der Schuldner seine Wohnung räumen und war fortan ohne festen Wohnsitz. Das Vollstreckungsgericht bestellte daher im April 2009 einen Zustellungsvertreter. Seit Ende Mai 2009 befand sich ein Vermerk in den Akten, aus dem sich ergab, dass der Schuldner ein Postfach unterhielt. Dennoch wurden die Terminsbestimmung (Juni 2009) und später der Zuschlagsbeschluss (August 2009) dem Zustellungsvertreter zugestellt. Der Schuldner hat erst im September 2009 durch ein Gespräch beim Finanzamt vom Versteigerungstermin erfahren und daraufhin Zuschlagsbeschwerde erhoben.

Der BGH hält die Zuschlagsbeschwerde für zulässig und begründet.

Nach § 6 Abs. 1 ZVG hat das Vollstreckungsgericht dann einen Zustellungsvertreter zu bestellen, wenn ihm der Aufenthalt des Zustellungsempfängers nicht bekannt ist oder die Voraussetzungen für eine öffentliche Zustellung aus sonstigen Gründen vorliegen. So verhielt es sich in diesem Fall aber nicht. Denn die Kenntnis von einem Postfach desjenigem, dem zuzustellen ist, steht nach Ansicht des BGH nach Sinn und Zweck des § 6 ZVG der Kenntnis von dessen Aufenthalt gleich. Ein Postfach ist nämlich als eine „ähnliche Vorrichtung“ im Sinne des § 180 S. 1 ZPO anzusehen, sodass eine Ersatzzustellung hätte erfolgen können und müssen.

Selbst wenn die Bestellung des Zustellungsvertreters wirksam gewesen wäre, hätte das Vollstreckungsgericht aber gem. § 7 Abs. 1 ZVG von weiteren Zustellungen absehen müssen, nachdem die Akten einen Vermerk über das Postfach des Schuldners enthielten.

Konsequenz ist, dass der Zuschlagserteilung der Versagungsgrund des § 83 Nr. 1 ZVG entgegensteht, weil die Vorschrift des § 43 Abs. 2 ZVG verletzt worden ist. Diese sieht vor, dass der Versteigerungstermin dann aufzugehen ist, wenn dem Schuldner die Terminsbestimmung nicht spätestens vier Wochen vor dem Termin zugestellt wurde. Die Terminsbestimmung wurde im Juni dem Zustellungsvertreter zugestellt, obwohl das Vollstreckungsgericht zu diesem Zeitpunkt bereits Kenntnis von dem Postfach des Schuldners hatte.

Das Original-Urteil kann hier abgerufen werden:

BGH Beschluss vom 14.06.2012, Az. V ZB 182/11


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